WARTEN
Eine Bushaltestelle.
Eine dieser unfreiwilligen Ansammlungen von Menschen mit dem gleichen Ziel. Warten auf den Bus. Vielleicht stehen da: eine Studentin, ein Rentner, ein Bankräuber? Ein Kranker, eine Chefin, ein Schulkind? Alle Teilnehmer überlegen sich irgendeinen Charakter, wer sie sind, wie alt sie sind, welchen Beruf sie haben, wohin sie mit dem Bus fahren wollen, vielleicht auch warum. Ob sie rauchen, zittern oder schielen, dringend auf Toilette müssen oder sich herablassend über die Mitwartenden äußern. Körperlich. Dann stehen sie und warten.
Es ist ein kühler Oktobermorgen. - Es beginnt leicht zu regnen. - Der Bus kommt nicht. - Der Regen wird stärker. - Die Autos fahren vorbei und bespritzen die Wartenden. - Der Bus kommt nicht. - Es wird windig. - Der Bus kommt noch immer nicht. - Offensichtlich ist er ausgefallen.
Jeder Charakter agiert und reagiert in seiner Rolle. Was machst du?
Klingt alles sehr komisch und einfach und so ein bisschen nach einer Mischung aus Kinderspielen, Überlebenstraining, Erholung und Esoterik. Hat aber im Wesentlichen mehr mit Managementtraining, Verhaltensschulung, Körpertraining etc. zu tun als mit den angesprochenen landläufigen Klischees. Das Medium Theater bietet facettenreiche Einsatzmöglichkeiten im Unterricht, insbesondere im Sprachunterricht. In der Theorie ist das hinlänglich bekannt, die praktische Umsetzung im Unterricht ist noch immer Mangelware. Und eben um diese Praxis ging es uns im Workshop. An Bushaltestellen, an Rezeptionen, beim Inszenieren von Gebrauchsanweisungen bis hin zum kurzen Einakter am Abschlussabend.
Erfinden, zerstören, darstellen, vorstellen, üben - all das sind Funktionen des Theaters. Theatermachen, unabhängig vom Rahmen, in dem das passiert, ermöglicht es, Erfahrungen zu sammeln, neue Möglichkeiten auszuprobieren. Mit Hilfe der Fremdheit, die man durch das Schlüpfen in eine andere Rolle erfährt, können Fähigkeiten entwickelt werden, die ein Andersdenken, ein experimentelles, kreatives Denken ermöglichen. Wirklichkeit wird plötzlich veränderbar und die Fremdsprache sinnlich- erlebbar.
Der Weg ist das Ziel, und so manche unbedeutende Vorbereitungsübung, Improvisation, ja sogar einfache Atem- oder Stimmübungen finden sich dann in Unterrichtsräumen, auf Freilichtbühnen in unmittelbarer Schwarzmeernähe, aber auch auf den großen Bühnen wieder. Sei es in der Schule, der Uni, der Politik oder tatsächlich im Theater, auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
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Teilnehmer des Workshops: Marsela Cerriku, , Edlira Dore, Mario
Jurki, Marina Dosen - Lumpp, Ornela Alickaj, Daniela Bojadzieva (v.l.n.r.).Leitung: Tina Hoffmann
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