Matjaž Zupančič
Die Klasse
Ein Schauspiel
© Matjaž Zupančič 2006

Übersetzung aus dem Slowenischen: Erwin Köstler
© Erwin Köstler 2006

Personen:

Seminarleiter
Stilistin
Schultz
Santori
Therapeutin
Mann
Hauswart


(Ein Klassenzimmer. Der Hauswart kommt, rückt Bänke und Stühle gerade. Macht Licht. Ab. Nach einer Weile treten der Seminarleiter, Schultz, Santori und die Stilistin ein, jeder mit seinem Material unterm Arm.)

SEMINARLEITER: Sind alle da?

STILISTIN: Einer fehlt.

SANTORI: Die Therapeutin hat sich verspätet.

SCHULTZ: Ich schlage vor, wir fangen trotzdem einfach an. Es ist acht.

SANTORI: Und das akademische Viertel?

SCHULTZ: Seien wir seriös. Sie ist kein Akademiker. Los, rufen wir die Kandidaten auf!

SEMINARLEITER: Tut mir leid, aber das geht nicht.

SCHULTZ: Warum denn? Sie klinkt sich halt später ein.

SEMINARLEITER: Die Seminarstatuten sind zu achten.

SCHULTZ: Was für Statuten denn. Diese Gruppenseancen sind sowieso eine einzige Scheiße. Improvisation.

SANTORI: Was ist daran falsch?

STILISTIN: Mich stört es auch nicht, in einer Gruppe zu arbeiten.

SCHULTZ: Gratuliere zum Parfum, Frau Stilistin. Dolce Gabbana?

STILISTIN: Calvin Klein. Eternity.

SCHULTZ: Gute Wahl. Teil Ihres Lehrmaterials?

STILISTIN: (Kühl.) Etwas Intimes, Herr Schultz.

SCHULTZ: Was ich wittere, ist immer intim. (Zum Seminarleiter.) Los, los! Die Klasse soll reinkommen.

SEMINARLEITER: Ich bin der Unternehmensleitung für den regulären Ablauf des Seminars verantwortlich. Warten wir noch ein paar Minuten.

SANTORI: (Zu Schultz.) Ein Bürokrat, nichts zu machen.

SCHULTZ: Die Direktion soll lieber bessere Arbeitsbedingungen schaffen, wenn sie schon Experten einlädt! Oder soll sie sich selber umqualifizieren. Das da ist mieser als die Abendschule!

SEMINARLEITER: Was denn konkret?

SCHULTZ: Wo ich parken kann, zum Beispiel.

SEMINARLEITER: Unten links neben der Kantine findet man immer einen Platz.

SCHULTZ: Neben der Kantine? Damit meine Sitze nach Pommes frites und Rindssuppe stinken?

SANTORI: Die Scheiben rauf, Doktor. Das hilft.

SCHULTZ: Na hören Sie. Das geht alles durchs Blech. Soll ich Ihnen was sagen? Mich hat man in besseren Firmen mit dem Taxi zu solchen Seminarchen gebracht!

STILISTIN: Hören Sie zu nörgeln auf.

SCHULTZ: Was haben Sie gesagt?

STILISTIN: Daß Sie unnötigerweise herumnörgeln und...

SCHULTZ: Wissen sie was? Wenn Sie schön riechen, heißt das noch lange nicht, daß Sie mir sagen können, was Ihnen einfällt.

SEMINARLEITER: Sehr geehrter Kollege, liebe Kollegin, es ist nicht nötig...

(Die Therapeutin kommt.)

THERAPEUTIN: Komme ich zu spät?

SCHULTZ: Woher denn!

THERAPEUTIN: Entschuldigung. Entschuldigung.

SANTORI: Anstrengender Morgen, Frau Therapeutin?

THERAPEUTIN: Etwas läuft heute schief. Ich weiß nicht, was. Ich muß fast weinen. Entschuldigung.

SCHULTZ: Ich würde Ihnen mehr Ordnung und weniger Gefühle vorschlagen!

STILISTIN: (Ironisch.) Professionelle Deformation.

THERAPEUTIN: Ich fühle mich entsetzlich. Ich brauche dringend ein Aspirin.

SCHULTZ: (Zu Santori.) Tablettensüchtig.

THERAPEUTIN: Bin gleich okay.

SEMINARLEITER: Jetzt sind wir vollzählig und können beginnen. Ich werde sie hereinrufen und dann...

STILISTIN: Warten Sie mal. Sollen wir uns nicht vorher besprechen?

SEMINARLEITER: Wie, besprechen?

STILISTIN: Über den Ablauf des Seminars.

SCHULTZ: Da gibts nichts zu besprechen. Das ist reine Routine.

SEMINARLEITER: Was wollen Sie wissen?

STILISTIN: Wer von uns anfangen wird. Zum Beispiel.

SANTORI: Schauen wir uns doch erst mal die Teilnehmer an, und dann entscheiden wir uns.

SCHULTZ: Ich sags ja. Reine Improvisation.

SANTORI: Die Methoden sind verschieden.

SCHULTZ: Nur nicht komplizieren, Santori! Ich kenne Sie.

SANTORI: Jeder wie er kann, Doktor Schultz!

SEMINARLEITER: Ich persönlich schlage eine kurze Einleitung und ein paar Fragen vor, dann kommen wir zu den Lektionen. Am Ende eine Zusammenfassung.

THERAPEUTIN: Meine Jungs! Ich kann kaum erwarten, sie kennenzulernen!

SCHULTZ: Was heißt Jungs. Ich wette, die Hälfte von ihnen ist älter als ich!

SEMINARLEITER: Gut. Ich werde sie jetzt hereinrufen und...

STILISTIN: Herr Seminarleiter!

SEMINARLEITER: (Nervös.) Was ist denn wieder?

STILISTIN: Wie lautet das Hauptthema?

SEMINARLEITER: Haupt was?!

STILISTIN: Das Thema. Das Hauptthema des Seminars.

SCHULTZ: Lassen Sies gut sein, Stilistin. Wir wissen, wer hier die Wissenschaftsdisziplinen vertritt und wer für den künstlerischen Eindruck da ist!

STILISTIN: (Getroffen.) Ist das auf mich gemünzt, Herr Schultz?

SEMINARLEITER: Schluß damit. Wir wissen, warum wir hier sind. Hier behandeln wir... wir wissen schon. Ja. Es ist eine Behandlung. (Verwirrt sich.) Bewandlung... Verwandlung ... Verhandlung... Mißhandlung...

SCHULTZ: Einen Dyslektiker geben sie dir als Seminarleiter!

STILISTIN: Herr Vrisk?

SEMINARLEITER: (Zornig.) Was sind das für dumme Fragen? An die Arbeit. Therapeutin, sind Sie in Ordnung?

THERAPEUTIN: Danke. Ich fühle mich besser.

SEMINARLEITER: Gut.

SCHULTZ: Rufen Sie sie schon herein!

SEMINARLEITER: Hauswart! (Zu den übrigen.) Ich glaube, wir werden schnell durch sein.

(Der Hauswart kommt.)

HAUSWART: Sie wünschen?

SEMINARLEITER: Lassen Sie die Klasse herein!

(Der Hauswart geht ab.)

SANTORI: Möchte jemand ein Bonbon?

SCHULTZ: Ich halte es für gesünder, wenn Sie wieder mit dem Rauchen anfangen.

SEMINARLEITER: Ich hätte schon gern eins.

SANTORI: Bitte. Erdbeer.

SEMINARLEITER: Die sind mir am liebsten.

(Der Hauswart kommt zurück.)

SEMINARLEITER: Was ist?

HAUSWART: Da ist nur einer.

SEMINARLEITER: Was?!

HAUSWART: Einer wartet draußen.

SANTORI: Wie, einer?

SCHULTZ: Wo sind denn die andern?

HAUSWART: Nicht da.

STILISTIN: Das ist unmöglich!

SEMINARLEITER: Lassen Sie mich nachsehen... (Geht hinaus, kommt nach ein paar Augenblicken zurück.) Da ist wirklich nur einer.

STILISTIN: Was bedeutet das?

THERAPEUTIN: O diese Jungs, was stellen sie wieder an!

SCHULTZ: Gut. Dann verputzen wir halt den einen und gehen!

SEMINARLEITER: Das stimmt. Bezahlt werden wir für einen oder für dreißig...

STILISTIN: Mich interessiert direkt, wo die ganze Klasse geblieben ist.

SCHULTZ: Wir wissen doch, wie sie sind! Ein kühles Bier und ein festes Weib, und adijo Seminar!

SEMINARLEITER: Vielleicht hat man sie nach der Vorbehandlung nicht aufsteigen lassen.

SANTORI: Rufen Sie ihn herein. Die Methode bleibt dieselbe.

SEMINARLEITER: Hauswart! Führen Sie den Kandidaten vor.

HAUSWART: Ja, Herr Leiter. Sofort.