Wie?
Am Anfang tippten wir in <www.google.de> gemeinsam den Suchbegriff "meine Frau" ein, der zufällig in einer Livesuche-Funktion der Suchmaschine <www.fireball.de> unsererseits festgehalten wurde. Durch ein solches "Web-Stechen" bestimmten wurde unsere zentrale inspirative Vorlage fuer das Projekt des gemeinsamen Strickens am vernetzten Computer bestimmt. Es handelt sich um ein Abschiedsbrief eines Selbstmoerders, das/der vielleicht real, vielleicht fiktiv war (für unser Vorhaben von geringem Belang). Der Selbstmoerder hat sich angeblich nach 22 Jahren gemeinsamen Lebens mit seiner Frau entschieden, sein Leben zu beenden, wozu er einige Gründe und Überlegungen liefert. Diese dienten als eine erste Anegung zum weiteren Forschen im Netz wie auch zur kollektiven Untersuchung persönlicher und zwischenpersönlicher Reflexionen zum Thema.
Der teilweise kollektiv, teilweise individuell reflektierte Text veranlasste uns, das Thema, unsere Gedanken und Gefuehle darueber mit Bild, Text und Ton multi- und intermedial wie zu verarbeiten. Die interpersonale Dimension wurde durch den kreativen Moment der Intermedialität wesendlich bereichert. Die verschiedenst medialen Materialien sammelten wir aus dem Internet durch Copy-Paste- und Download-Verfahren sowie aus eigener konkreter (netzexterner ) Umgebung (Fotos, Stimmen- und Musikaufnahmen, Kurzvideos). Mit gewissem Allgemeinheits- bzw. Durchnittsbenutzungsanspruch haben wir auch die Google Bild- und Textsuche als Materialsammlungsmethode herangezogen.Auf der Seite <www.garten-der-gefuehle.com> haben wir beispielsweise einige Bilder und Postkarten gefunden, die nach kollektiver Übereinstimmung zum Ausgangstext passten, ein Bild mit Rosen samt Text "Danke für alles" wurde für ein Seitenkomplex ausgewaehlt. Dieses Bild wurde ausgeblichen, eine Textcollage aus diversen Quellen wurde darübergellegt: den Ausgangstext haben wir vorher bearbeitet (Cut-Up) und in vier Teile geteilt, jeder wurde über eine Rose platziert, der teilweise willkürlich kombinierte Rest in die Bildmitte. Beim "Mouseover" (wenn man in einem Browser mit der Maus darueber faehrt) taucht auf jeder Rose eine ebenfalls kollektiv ausgewählte Zeile aus Hesses Gedicht "Stufen" auf. Das Gedicht wurde auf der Seite <www.rose2000.de> zufaellig gefunden. Dieses Gedicht empfanden wir wegen seines hoffnungsweckenden Optimismus als ein gutes Gegengewicht zum melancholischen Abschiedsbrief. Das Gedicht "Stufen" betont naemlich, dass auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt.
Dann kam der Netzspinner, der von Anfang an unsere Arbeit als ein panoptisches Wesen aus dem Cyberspace zu beobachten schien. Mit ihm (netzspinner@yahoo.de) kommunizierten wir durch eine Chat-Interface ("Yahoo Messenger") und durch den kreativen, kollaborativen Austausch von Dateien (FTP, Email). Im Abschiedsbrief erwähnt der Autor die Möglichkeit, dass er sein leben im "Cyberpace" weiterführen wird, was eine durchgehende Assoziation auf Netzspinner auslöste und die Analogie zum zentralen Thema unserer Gespräche machte.
Der s. g. "Lachdialog" wie auch die malerisch ästhetisierte Bildkombination "Klavier&Flöte" wurden digital aufgenommen und mit diverser Software bearbeitet (Standbild-, Video- und Tonmanipulation). Mit Netzspinners Hilfe sollte die Klavier- und Flötenmusik remixed und zusammenkomponiert werden. Neben anderen - als Selbstvorstellung fingierenden - Sounddateien mit radikal verfremdeter Stimme schickte er uns auch ein eigenes Musikstück zu, der ebenfalls in die Projektseiten eingebunden wurde. Die bildhafte Dokumentation von Klavier- und Flötenspiel wurde schließlich nochmal durch ein Collage-Verfahren bearbeitet: um die Bilder zu verallgemeinern, setzten wir diverse Filter und Farbenstufenmanipulation ein. Zwei live aufgenommenen, (miteinander) musizierenden Frauengestalten (Teilnehmerinnen am Workshop) wurden neben- und uebereinander gelegt. Mithilfe der Mouseover-Funktion werden die Bilder abgewaechselt, wenn man mit der Maus ueber das Bild faehrt bzw. auf gewisse Stellen (Hotspots) klickt. Das "Lachdialog" (zwischen einer männlichen und einer Weiblichen Stimme) untermalt die Seite in einer verfremdenden Art und asozziert eventuell den nostalgischen, immerin emozional zweideutigen Rückblick aus dem Eingangstext. Die Originalaufnahmen der Musik gingen an den Netzspinner, der mit ihnen eben "spinnen" sollte. Zur Inter-aktivierung diesen Materials haben wir einen HTML-Editor verwendet, mit dem wir auch alle anderen Webseiten erstellt haben.
Vom Netzspinner bakamen wir inzwischen eine akkustisch verschlüsselte Nachricht, verstanden lediglich nur wenige Woerter daraus. Diese wurden dann in einen Gedichtsgenerator auf der Seite <www.vivien-post.de/gedicht.htm> eingetragen und der Programm erstellte uns ein digitales Liebesgedicht. Dieses Gedicht jedoch war in unserer Textintention jedoch an ein menschliches Wesen gerichtet, so entschieden wir es selber nochmal zu ändern, um es an unseren menschlich-elektronischen Adressaten anzupassen. Einzelne Teile dieses Gedichts bereicherten wir zusätzlich mit Teilen aus Hesses Gedicht "Stufen". Im Gedicht - eigentlich bereits in Netzspinners akkustischer Selbstvorstellung - tauchte der Name "Pikatchu" auf und durch die Google Bildsuchfunktion fanden wir unter diesem Suchbefehl das Bild von einer der beliebtesten Figuren der Kinderkultur - den Teletubbie Pikatchu. Dazu wurde noch ein zweites Bild, diesmal von einem "komplementär" gruenen Maennchen, einem typisierten"Ausserirdischen" gefunden - wiederum als Assoziation auf "Planet Pikatchu" aus Netzspinners Selbstbeschreibung.
In Anlehnung an unseren Abschiedsbrief, unsere eigenen Texte und an die mehrfach kodierte, assoziations- und metaphernreiche Kommunikation mit Netzspinner wurde ein Gedicht an denselben verfasst, in dem zwei Liebenden, ihre Trennung und ein neuer Anfang der Beziehung im Cyberspace thematisiert wurden. Daraufhin antwortete der Netzspinner mit einem bildhaften Gedicht seinerseits, das wir ebenfalls in unser Projekt aufgenommen haben. Waehrend eines Chats wurden wir auf Netzspinners Aussehen neugierig, was ihn veranlasste uns zwei Bilder von sich zu schicken - wiederum vorgefundenes Material aus dem Netz. In der selben Chat-Session hat er uns in das "IMV-Environment" (die virtuelle Umgebung des Yahoo Massenger Chat-Interfaces) eingeladen, anhand dessen wir das "Screenshot" (Bildschirmabbild) mit seinen zwei Bildern collagierten.. Der Bildcollage hatten wir inzwischen noch unsere Chat-Logs mit dem Netzspinner "hinzugepastet", wo einige Auszuege aus dem Dialog zwischen ihm und "der unbekannten" (einer Teilnehmerin) zu lesen sind.
In der Abschlussphase erfolgte eine gemeinsame Reflexion des Arbeitsprozesses, danach die Verlinkung der erstellten Seiten untereinander wie auch mit dem WWW sowohl nach dem Prinzip der freien Assoziation als auch nach bestimmten logischen bzw. narrativen Mustern. Als unabgeschlossenes kreatives Prozess erhofft sich das Projekt einer Weiterentwicklung der besonderen sozialen und medial-kommunikativen Interaktion, die innerhalb der fünf Tage des Workshops zum Leben gebracht wurde. Anregungen, Fragen und Kommentare wie auch Beiträge allerseits sind stets willkommen.
Wer?
Alma Husamovic
Dhurata Selimi
Marina Slavova
Mirjana Nedic
netzspinner@yahoo.de
pETER Purg
Sanela Mesic
Tuende Karvak
Zu welchem Anlass?
DAAD Sommerakademie 2003, Varna, Bulgarien
Online Forum der DAAD Sommerakademie
dichtung digital ? - online Materialien zur Einführung (pETER Purg)
KO(N)TEXT: "Texten nebeneinander im Netz.
Konkreativität zwischen lokalem und globalem Computernetzwerk"
(online Artikel von pETER Purg in "www.dichtung-digital.de")